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Basic Safety Teil I

Moin zusammen… Ich bin in Elsfleth. Genauer gesagt im maritimen Kompetenzzentrum Elsleth. Warum ich hier bin und was ich hier so den ganzen Tag mache, könnt ihr im heutigen Blogeintrag lesen und hören und sehen.

Ich habe ja seit Anfang November einen neuen Job. Ich bin als Decksfrau tätig. Genau, ich darf mein Hobby und meine Leidenschaft zur Seefahrt zum Beruf machen. Das ist nicht nur super cool und spaßig, sondern oft spannend und auch teilweise herausfordernd.

Hörversion
(Korrektur: Sauerstoffflasche=Atemluftflasche)

Laut Richtlinien der Berufsgenossenschaft Verkehr (Dienststelle Schiffssicherheit) muss jede Person, die als Seemann/Seefrau oder schiffsbetriebliche Handlung verfolgt oder Pflichten an Bord übernimmt eine Sicherheitsgrundausbildung und Unterweisung für Seeleute (STCW) absolvieren. Diese Ausbildung wird auch Basic Safety gennant und dauert in Deutschland 2 Wochen.

Die Grundinhalte des Kurses sind:
(Quelle)

Ich habe mich sehr gefreut auf diesen Lehrgang und genieße diesen ganzen Input. Ich will euch nun gar nicht jedes Thema hier in der Quintessenz wiedergeben. Nein, ich möchte euch mein Highlight oder beeindruckendsten Moment beschreiben.

Eine Herausforderung. Eine Grenzerfahrung. Eine Situation, in der meine Impulskontrolle auf die Probe gestellt wurde.

In dieser ersten Ausbildungswoche ging es viel um das Thema Brandbekämpfung.
Und mal direkt dazu gesagt: Feuer ist nicht so mein liebstes Element!
Naja, angefangen haben wir natürlich mit der Theorie. Was ist Feuer, welche Brandklassen gibt es, wie werden die jeweiligen Feuer bekämpft und mit welchem Löschmittel. Dann durften wir verschiedene kleine Brände mit den unterschiedlichen Löschmitteln löschen.
Das war schon sehr interessant und aufschlussreich… und etwas aufregend!

Feuerbekämpfung unter Atemschutz

Dann ging es weiter an die Atemschutzgeräte. Denn bei einem Feuer können giftige Gase oder giftiger Rauch entstehen und dann ist ein richtiger Atemschutz bei der Brandbekämpfung unabdingbar!
Ich hatte immer schon kein besonders großes Interesse an Atemschutzmasken. Ich kenne Leute, die solche alten Masken aus Deko-Gründen in ihren Wohnungen hatten oder haben wollten. Ich fand die Dinger immer eher etwas gruselig!
Naja, was soll’s, dachte ich und setze die Maske einfach auf und zurrte die Bebänderung fest. Ich war in dem Moment ein wenig von mir selbst überrascht 😉
Die Atemluftflasche und das Atemschutzgerät hatte jeder im Kurs vorher, unter Anleitung, selbst für sich vorbereitet und geprüft. Dies wurde dann geschultert und die erste Übung begann. Ein kurzer Spaziergang strammen Schrittes um das Gebäude und dann rein in das Schiffsheck auf dem Übungsgelände.

Auf- und Abschultern im Dunkeln

Durch ein kleines Schott, mittig im Rumpfbereich des Schiffteils ging es rein. An der schmalen und steilen Leiter hinauf zur nächsten Ebene. Gar nicht so easy durch so enge Bereiche zu klettern mit der Atemluftflasche auf dem Rücken, Maske im Gesicht und Helm auf dem Kopf. Zusätzlich trugen wir jeder noch eine Feuerschutzjacke und entsprechende Handschuhe. Da standen wir nun, im Heck eines alten Schiffes, im Stockdunklen. Nur unser Ausbilder Michael hatte eine Taschenlampe dabei, um in den nötigen Momenten Licht zu spenden. Dann hieß es „Abschultern“. Wir mussten also runter in die Knie und unsere Geräte inkl. Flasche in absoluter Dunkelheit von der Schulter herunternehmen. Gar nicht so einfach mit den Handschuhen mal eben die Gurte zu lösen (wichtig zum wieder Aufschultern)
Als alle fertig waren, hieß es „Aufschultern und dann hinstellen“. Hier und da wurde sich gegenseitig geholfen, was völlig okay war. Denn unter Atemschutz geht man nicht alleine in eine Gefahrenzone. Anschließend wiederholten wir die Übung nochmal und kamen mittlerweile alle ordentlich in Schweiß. Überall hörte man das angestrengte Atmen unter den Masken. Und zum Schluss ging es dann noch eine Ebene höher und wir standen wieder draußen. Die Treppe stiegen wir vorschriftsmäßig rückwärts nach unten, drehten noch eine kleine Runde und waren alle froh das Equipment wieder ablegen bzw. ausziehen dürfen.

Durch das kleine Schott da unten, ging es rein. Oben bei der grünen Luke kamen wir wieder raus

Brandbekämpfung unter Atemschutz

Am darauffolgenden Tag stand für uns Brandbekämpfung unter Atemschutz im Brandcontainer auf der Tagesordnung.
Schon am ersten Tag, bei der Begehung des gesamten Begehung des Geländes, war mir etwas mulmig bei der Besichtigung des Containers. Die Wände waren alle verrußt und es war einfach nicht der gemütlichste Fleck 😉
(Ich habe leider (noch) keine Bilder von Innen gemacht, das werde ich bei nächster Gelegenheit versuchen nachzuholen.)
In dem Container gibt es verschiedene Brandherde, die von einem Kontrollstand gesteuert und koordiniert werden. Es kann ein Brand am Flansch simuliert werden, wie es zum Beispiel im Maschinenraum vorkommen kann. Ein brennender Gasherd oder ein brennendes Bett werden simuliert. Auch ein Brand unter einer Treppe kann entfacht werden. Und wenn es richtig heiß hergehen soll, gibt’s noch ein Flashover. Das ist dann so was von heiß unter der Decke, dass man das dringende Bedürfnis hat tief unten am Boden zu sein und am Liebsten sofort raus will!
Und von dem Kontrollstand wird noch die Rauchzufuhr gesteuert. (Denn der Innenraum ist natürlich feuerfest gebaut und wird mit einer Gasanlage betrieben.)

Mir war mulmig! Und ich war aufgeregt!
Das erste Team ging rein. Ich schaute von außen zu, bis sie vom Rauch nicht mehr zu sehen waren und nur noch der Wasserstrahl zu hören war. Rauch stieg aus den Lüftungsschlitzen heraus. Oh man! Beim zweiten Team durfte ich mit in den Kontrollstand, um zu sehen, was da drinnen abging. Das war spannend und sehr interessant. Mein Puls war immer noch hoch und ich hatte Schiss. Aber ich wollte das auch mal erlebt haben.

Boah was klopfte mein Herz

Ich schloss mich mit Dirk zusammen. Er hatte viel Erfahrung, durch seine Tätigkeit in der freiwilligen Feuerwehr und war total entspannt. Das gab mir Sicherheit. Wir legten unsere Ausrüstung an, besprachen den Ablauf und schon stand ich mit der Axt in der Hand an der Tür, um sie zu öffnen. Dirk ging voran, ich sicherte den Rückweg und hielt Ausschau nach anderen Brandquellen. Wir bekamen kaum Rauch in den Raum, weil ich halt so unsicher war. Der Flashover beeindruckte mich. Dirk löschte völlig souverän. Ich war froh wieder draußen zu sein!

Bei der nächsten Übung galt es eine verletzte Person zu finden und zu retten. Diesmal ging ich mit dem Strahlrohr voran und es gab -nach Absprache- mehr Rauch. Wir mussten von oben über die Treppe hinein. Ich war so derbe aufgeregt, das glaubt ihr nicht. Oh man oh man!
Naja und los, dachte ich und stieg hinab. Da stand ich nun, es war verqualmt, ich zitterte, ich zielte mit dem Strahlrohr pauschal in den Rauch. Abwechselnd in alle Richtungen. Vor allem auch immer mal an die Decke, um dort die Temperaturen etwas abzukühlen, damit ein potenzieller Flashover nicht eintreten kann. Das hab ich mir gemerkt 😉
Und dann immer ein Stück weiter vor. Dirk und Kathrin, in dieser Runde waren wir zu Dritt, immer dicht hinter mir. Gefühlt aber war ich phasenweise alleine dort. Ich habe nichts gesehen und nichts gehört. Mein Adrenalin war in jeder Zelle meines Körpers auf 3.000 und ich versuchte nur irgendwie die Brandherde zu entdecken und zu löschen. Dabei vergaß ich mehr oder weniger die Person zu suchen und auch auf den bewussten/sparsamen Einsatz von Wasser achtete ich eher nicht. Mein Fokus lag auf dem Löschen und so lief das Wasser fast permanent und ich zielte immer da hin, wo ich Feuer vermutete, nachdem ich zum hundertsten Mal mir die Sicht durch die Maske frei wischte. Dirk rief mir zu, dass ich weiter vor solle und die Person (50Kg Dummy) bergen solle. Ich kniete und war wie gelähmt. Ich sagte „Ich kann nicht, mach du das.“ Und ich war ihm sehr dankbar, als er die Person aus der Gefahrenzone zog und ich quasi nur für den Schutz vor Feuer sorgte. Kathrin und Dirk schulterten den Dummy und gingen Richtung Treppe zurück.
Da! Feuer!
Ich musste an ihnen vorbei und das Feuer unter der Treppe löschen. Geschafft. Die beiden waren schon auf der halber Treppe oben, ich schaute mich um, ob sich das Feuer erneut entfachen würde.

Dann ging die Tür an der Seite auf und Michael winkte mich hinaus. Die Übung war beendet. Er half mir den Lungenautomaten von der Maske zu entkoppeln und ich zog so schnell ich konnte die Handschuhe, den Helm und die Maske ab. Ich war fertig. Fix und Alle. Durch.

Hier gibt es keine Bilder… Ich hatte alles andere im Kopf, als diesen Moment festzuhalten!

Impulskontrolle

Ich lächelte nach der Übung, obwohl ich hätte heulen wollen. Das war für mich eine ziemlich krasse und stressige Erfahrung. Hätte mich in dem Moment eine Person nur an der Schulter berührt, um mir Zuspruch oder sonst was mitteilen zu wollen, hätte ich sehr wahrscheinlich angefangen zu heulen. Wahnsinn, was da in meinem Körper gerade für ein Chaos herrschte.
Und ich war in dem Moment sehr froh, dass meine Impulskontrolle funktionierte und ich meine Tränen vor der Gruppe zurück halten konnte. Denn eigentlich war doch gar nichts los…

Das Feedback von Michael war „Wenn du mal ein Feuer löschen musst, nimm am Besten auch gleich Schwimmwesten mit. 😉 Du löschst zwar das Feuer, aber mit so viel Wasser, dass der Raum hinterher schwimmt.“
Ich fand den Kommentar lustig, weil ich ja einfach tatsächlich vergessen hatte das Wasser zwischendurch abzuriegeln, wie es im Vorfeld erklärt und gezeigt worden war. Und so lachten wir darüber.
Den anderen Teams sind auch einige witzige Patzer passiert. Alles nicht schlimm. Alle haben ihren Job erfüllt.

Dirk bin ich dankbar, dass er mit mir diese Übung durchgeführt hat und dabei absolut souverän war. Hinterher sagte er zu mir, dass er es echt gut fand, dass ich mich getraut und es durchgezogen habe. Er wurde durch meine Schlauchführung zwar auch gut nass, weil ich mich mit laufendem Wasser umdrehte und ihn an den Beinen etwas erwischte, aber reagierte gut. Er griff zum Schlauch und drückte ihn nach unten.

Zurück im Zimmer

Ich war aufgewühlt und erschöpft. Stolz und tief beeindruckt. Ich saß alleine in meinem Zimmer, hatte mich umgezogen und kam einen Moment zur Ruhe. Ich ließ die Bilder und die Momente in meinem Kopf Revue passieren und dann bahnten sich doch noch ein paar Tränen den Weg über mein Gesicht. Ich kann gar nicht genau sagen warum. Wahrscheinlich aus Erleichterung, emotionaler Überladung und Überwältigung. Ich rief meine besten Freundinnen an und später noch meine Mutter. Ich hatte Gesprächsbedarf. Ich musste über meine Gefühle, Eindrücke und Erlebnisse sprechen, um sie zu verarbeiten. Das half mir sehr. Auch mit ein paar männlichen Freunden, die schon ähnliche Erfahrungen gemacht hatten, konnte ich mich austauschen. Sie empfanden diese Übungen nicht so aufwühlend, wie ich, aber trotzdem auch beeindruckend. Und sie sagten, dass ich stolz auf mich sein solle, es überhaupt gemacht und sogar geschafft zu haben.

Im Nachhinein bin ich auch stolz auf mich. Ich habe meine Angst oder Unsicherheit überwunden und mich in eine Situation begeben, die weit außerhalb meiner Komfortzone lag. Und ich würde es wieder machen. Nicht mit weniger Adrenalin im Körper, aber vielleicht mit etwas weniger Wasser 😉

Grenzerfahrungen… sind dazu da, um unsere Grenzen zu spüren… um unsere Grenzen zu erweitern… um uns weiter voran zu bringen… um über uns hinaus zu wachsen…

Feuer ist kein Spielzeug!
Achtung bei offenem Feuer-
vor allem in der Adventszeit!

In diesem Sinne, liebe Leser und Leserinnen… Passt auf euch auf, lasst`die Haare wehen und klemmt euch nicht.

Eure Kim

Kim

Das ist Kim, eine segelbegeisterte, lebensfrohe und energievolle Frau, die den Schritt zum eigenen Boot wagt. Die gute Irmi scheint ihr als angemessenes Geschenk zum 30. Geburtstag (2018). Was sie so erlebt, repariert, testet, sich ausdenkt und zu berichten hat schreibt sie auf, dreht sie Videos von, hält sie in Bildern fest und spricht sie in ihrem Podcast ein. Manchmal ist sie allein, öfter hat sie ihre Freunde oder interessante Menschen an Bord. Immer ist irgendwas los, es wird nie langweilig!!!Sie hat den großen Traum um die Welt zu segeln... bis dahin sammelt sie Erfahrungen auf der Ostsee oder wo sie hin eingeladen wird. Weitere Wassersportarten werden ausprobiert und finden ggf. einen Platz in ihrem Repertoire. Sie genießt das Leben und nimmt Dich ein Stück mit... Ihre Devise: "Gib`nicht auf, sondern kämpfe für deine Träume und dann SPRING` einfach! Sturm oder Flaute - der Segelblog für Alle!

4 Comments

  1. Cooler Artikel, ich habe richtig mit gelitten bei den Löschübungen. Ich kann total verstehen, dass dich das mitgenommen hat. Und Tränen sind oft nur ein Ventil Spannung abzubauen. Ich weine auch manchmal, wenn die Situation eigentlich schon geklärt ist.

    • Hallo Franziska.
      Vielen Dank für deine liebe Rückmeldung zu meinem Blogartikel.
      Ja stimmt, irgendwo müssen große Emotionen ein Ventil nutzen… Da sind Tränen eine gute Wahl, finde ich 😉
      Liebe Grüße

  2. Das kann ich richtig gut nachempfinden habe letzen winter auch den basic safety gemacht und fand es auch ziemlich anstrengend auch ich lebe auf einem boot auf fehmarn und habe auf einem angelkutter gearbeitet leider ist der job jetzt weg durch corona schade eigentlich geht es mir wie dir job und leben auf dem meer war das ziel na vieleicht findet sich ja noch was neues schöne grüsse von der insel

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